Richtiges Verhalten bei Anhörungsbogen nach Verkehrsverstoß
Wenn nach einem angeblichen Verkehrsverstoß ein Anhörungsbogen der Bußgeldstelle ins Haus flattert, stellt sich die Frage, welches Verhalten taktisch klug ist. Denn hält die Polizei den betroffenen Autofahrer nicht direkt nach Begehung der Ordnungswidrigkeit vor Ort an, beginnen umfangreiche Fahrerermittlungen. Oft wird die Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuches angedroht, wenn der Fahrer nicht benannt wird.
Die Bußgeldstelle muss ermitteln, wer das Fahrzeug im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes gefahren hat, denn in Deutschland darf wegen eines Verkehrsverstoßes nur der Fahrer zur Verantwortung gezogen werden, der den Verstoß selbst begangen hat. Von diesem Grundsatz der Fahrerhaftung gibt es nur wenige Ausnahmen (z. B. Halterhaftung bei Halt- oder Parkverstößen, § 25a StVG). Für die Ermittlung des Fahrers hat die Bußgeldstelle nur wenig Zeit. Bereits nach Ablauf von drei Monaten verjährt das Verfahren gegen den Fahrzeugführer.
Der Behörde stehen nur die Informationen zur Verfügung, die sie dem „Blitzerfoto“ entnehmen kann, also das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs und ein mehr oder minder gelungenes Fahrerfoto. Daher wendet sich die Bußgeldbehörde zunächst an den Fahrzeughalter. Dieser wird von ihr angeschrieben.
Zeugenfragebogen
Entweder erhält der Halter einen Zeugenfragebogen oder bereits einen sog. Anhörungsbogen. Erhält der Fahrzeughalter zunächst ein Schreiben, das formularmäßig etwa folgenden Wortlaut beinhaltet "Sie, wurden uns als Halter des Fahrzeugs benannt. Mit dem Fahrzeug wurde(n) folgende Ordnungswidrigkeit(en) begangen…. Bitte benennen Sie uns den Fahrer für die Ordnungswidrigkeit“, handelt es sich um einen Zeugenfragebogen.
Der Empfänger, in der Regel der Fahrzeughalter, ist lediglich verpflichtet, Angaben zu seiner Person (Name, Adresse, Geburtsdatum und Geburtsort) zu machen. Wer gefahren ist oder wem das Fahrzeug zur Tatzeit überlassen war, muss nicht beantwortet werden. Die Spalte „Personalien des Fahrers“ kann also unausgefüllt bleiben. Wenn der Zeugenfragebogen an eine juristische Person (GmbH, AG) gerichtet ist, ohne dass ein gesetzlicher Vertreter angeschrieben wurde, besteht überhaupt keine Pflicht zur Rücksendung des Formulars.
Anhörungsbogen
Enthält das behördliche Schreiben an den Fahrzeughalter eine Formulierung wie „Ihnen wird vorgeworfen…“ oder „ihnen wird zur Last gelegt…“ handelt es sich um einen sogenannten Anhörungsbogen. Dieser hat gegenüber dem Betroffenen verjährungsunterbrechende Wirkung. Das heißt, die dreimonatige Verjährungsfrist beginnt von neuem. Solange hat die Behörde nun Zeit einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen zu erlassen. Auch der Empfänger eines Anhörungsbogens ist lediglich verpflichtet, Angaben zu seiner Person zu machen.
Insbesondere wenn eine andere Person als der Empfänger des Anhörungsbogens das Fahrzeug zur Tatzeit gefahren hat, wäre es taktisch unklug, im Anhörungsbogen weitere Angaben zu machen. Denn damit würden die behördlichen Ermittlungen auf diese Person gelenkt und die Chance, dass der tatsächliche Fahrer binnen der dreimonatigen Verjährungsfrist nicht ermittelt wird, wäre vertan.
Auch wenn es sich bei dem Empfänger des Anhörungsbogens tatsächlich um den Fahrer bei Begehung der vermeintlichen Ordnungswidrigkeit handelt, ist von voreiligen Angaben zur Person des Fahrers abzuraten. Denn manchmal ist das Blitzerfoto von so dürftiger Qualität, das es zur sicheren Identifikation nicht genügt.
Ermittlungsmöglichkeiten der Bußgeldstelle
Erfolgt keine Reaktion auf den Anhörungsbogen oder wird die Frage nach dem zur Tatzeit verantwortlichen Fahrzeugführer offen gelassen oder die Fahrereigenschaft durch den Empfänger des Anhörungsbogens bestritten, bedienen sich die Bußgeldbehörden verschiedener Möglichkeiten, um den tatsächlichen Fahrer zu ermitteln. Mit Hilfe des ihr vorliegenden Blitzerfotos wird die Behörde versuchen, den Fahrer herauszufinden.
Abgleich des Beweisfotos mit Bildern der Einwohnermeldeämter: Oftmals wird die Bußgeldstelle, um sich Gewissheit über die Person des Fahrers zu verschaffen, von der Meldebehörde ein beim Pass- oder Personalausweisregister hinterlegtes Lichtbild des Fahrzeughalters oder Geschäftsführers einer Firma anfordern, unter der das Kfz zugelassen ist.
Schnüffeln im Internet: Üblich ist mittlerweile die Recherche im Internet, insbesondere auf Firmenwebsites oder in sozialen Netzwerken wie „Facebook“ oder „Xing“ oder „wer-kennt-wen“. Häufig hat der Fahrzeughalter oder Personen aus seinem näheren Umfeld (Familienangehörige, Firmenmitarbeiter) dort ein Foto oder weiterführenden Informationen hinterlegt, die die Verfolgungsbehörde dankbar verwenden wird.
Schnüffeln Daheim bei Nachbarn oder in der Firma: Wenn nach Abgleich mit dem Passfoto vom Einwohnermeldeamt und/oder nach der Internetrecherche für die Bußgeldbehörde immer noch Zweifel an der Person des Fahrers bestehen, wird sie wahrscheinlich die örtliche Polizei im Wege der Amtshilfe bitten, entsprechende Ermittlungen am Wohn- oder Firmensitz des Fahrzeughalters durchzuführen. Tipp: Die Polizei hat kein Betretungsrecht.
Es ist ratsam, Familienangehörige über das Ihnen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht zu informieren. Niemand muss den Ehegatten, Verlobten, Lebenspartner oder Verwandte belasten. Es genügt der Satz, der auch für jeden Verdächtigen Gold ist: „Ich mache keine Angaben“. Der Fahrer selbst hat immer und überall ein gesetzliches Schweigerecht.
Auch Mitarbeiter einer Firma oder Nachbarn haben nicht die Pflicht, gegenüber den polizeilichen Ermittlungsbeamten auszusagen. Die Polizei hat keine rechtliche Handhabe eine Aussage von ihnen zu erzwingen. Der Polizei dürfen ohne jede Begründung Angaben verweigert werden. Es hat sich der simple Satz „Ich mache keine Angaben“ bewährt. Mitgeteilt werden müssen von den befragten Zeugen auf Verlangen nur die eigenen Personalien. Auf keinen Fall müssen weiterreichende Fragen beantwortet werden.
Polizeiliche Vorladung: Zur Vorgehensweise der Polizei bei der Identifizierung eines Fahrzeugführers anhand eines Fotos gehört es manchmal, dass der Fahrzeughalter schriftlich aufgefordert wird, auf das Polizeirevier zu kommen und dort seinen Führerschein vorzuzeigen. Tipp: Man ist nicht verpflichtet, einer polizeilichen Vorladung Folge zu leisten.
Etwas anderes gilt nur, wenn die Bußgeldstelle selbst einen Zeugen votlädt, von dem sie sich einen sachdienlichen Hinweis auf den Fahrer verspricht. Anders als die Polizei handelt es sich bei der Bußgeldstelle nämlich um eine Verfolgungsbehörde mit denselben Rechten und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Aber selbstverständlich können Zeugen auch hier von ihrem Zeugnis- und Aussageverweigerungsrechten Gebrauch machen. Überdies kann niemand zur Aussage gezwungen werden. Eine Vorladung von Zeugen durch die Verwaltungsbehörden erfolgt höchst selten.
Androhung einer Fahrtenbuchauflage
Konnte die Feststellung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrers innerhalb der Verjährungsfrist vermieden werden, besteht die Gefahr, dass dies angesichts der nach § 31 a StVZO möglichen Fahrtenbuchauflage zu einem Pyrrhussieg wird. Häufig droht die Bußgeldstelle bereits dann mit der Fahrtenbuchauflage, wenn im Anhörungsbogen oder gegenüber der Polizei keine Angaben gemacht werden, um Druck auf den Fahrzeughalter oder Zeugen auszuüben. Tipp: Die Drohung mit der Fahrtenbuchauflage erweist sich in der Praxis oft als heiße Luft.
Hinter der Drohung steht die rechtliche Möglichkeit, der Bußgeldstelle bei der am Standort des Fahrzeugs zuständigen Fahrerlaubnisbehörde, die Auferlegung eines Fahrtenbuches anzuregen, sofern das Bußgeldverfahren eingestellt werden musste, weil der für die Zuwiderhandlung verantwortliche Fahrzeugführer nicht ermittelt werden konnte. Adressat der Fahrtenbuchauflage kann nur der Halter des Fahrzeugs sein. Dies ist im Rechtssinne derjenige, der das Fahrzeug für eigene Rechnung gebraucht und die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat.
Die Fahrtenbuchauflage wird zumeist nur für ein Fahrzeug des Halters und für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten verhängt. Die Maßnahme setzt aber stets voraus, dass von der Bußgeldbehörde alle nötigen und möglichen - vor allem angemessenen - Nachforschungen zur Ermittlung des Fahrers ergebnislos betreiben worden sind. Beruft sich der private Halter eines Fahrzeugs deshalb mit Recht darauf, dass er erst länger als zwei Wochen nach dem vorgeworfenen Verkehrsverstoß einen Zeugen- oder Anhörungsbogen erhalten habe und sich wegen des langen Zeitablaufs seit der Tat nicht mehr an den Fahrer zur Tatzeit habe erinnern können, wären die Voraussetzungen der Maßnahme nicht gegeben.
Bei Firmenfahrzeugen wird hingegen erwartet, dass Aufzeichnungen darüber bestehen, wem das Firmenfahrzeug wann überlassen war, so dass das Verstreichen des Zweiwochenzeitraums bis zur Anhörung nicht mit Erfolg gegen die Fahrtenbuchauflage ins Feld geführt werden kann. Doch auch hier besteht in Fällen vor Auferlegung eines Fahrtenbuches in der obligatorischen Anhörung grundsätzlich die Chance, Einvernehmen mit der Fahrerlaubnisbehörde über ein Absehen von der Verhängung der Fahrtenbuchauflage zu erzielen.
Christian Demuth, Düsseldorf
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