Angedrohte Kündigung reicht nicht für Absehen vom Fahrverbot
Ein Richter, der lediglich aufgrund eines Schreibens des Arbeitgebers, dass dem Betroffenen gekündigt werden müsse, falls ein Fahrverbot gegen ihn verhängt wird, vom Regelfahrverbot absieht, macht es sich zu einfach. Um eine solche Ausnahme rechtfertigen zu können, ist, wie das Kammergericht Berlin klargestellt hat, eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage notwendig, ob das Fahrverbot tatsächlich berufliche Nachteile nach sich zieht, oder ob es sich um bloße Unbequemlichkeiten handelt (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 24.02.2016, Az.: 3 Ws (B) 95/16).
Schreiben des Arbeitgebers mit angedrohter Kündigung vorgelegt
Der Betroffene war innerorts 37 km/h zu schnell unterwegs gewesen. Das sollte ihm eine Geldbuße von 160 € und ein einmonatiges Fahrverbot einbringen. Dem Amtsgericht legte er daraufhin ein Schreiben seines Arbeitgebers vor, dass ihm bei Verhängung eines Fahrverbots die Kündigung drohe. Die Begründung lautete, dass er als angestellter Physiotherapeut ausschließlich Hausbesuche mache, zu denen er schwere Massagebänke und andere Hilfsmittel mitnehmen müsse. Andere Mitarbeiter könnten – mangels Führerschein oder mangels fachlicher Kenntnis – diese Tätigkeit nicht übernehmen. Auf Grundlage dieses Schreibens verdoppelte das Amtsgericht die Geldbuße und sah von der Verhängung des Fahrverbotes ab. Es berücksichtigte außerdem, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung in der Nacht bei üblicherweise sehr geringem Verkehrsaufkommen begangen worden war.
Gericht hätte Möglichkeiten der Überbrückung des Fahrverbots prüfen müssen
Fürs Kammergericht war das eine klare Fehleinschätzung, weswegen es den Richterspruch aufhob und zur erneuten Verhandlung ans Amtsgericht zurückverwies. Im Rahmen einer kritischen Prüfung hätte sich das Amtsgericht zum Beispiel mit der Frage beschäftigen müssen, ob es dem Betroffenen nicht möglich gewesen wäre, das Fahrverbot durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen zu überbrücken, zum Beispiel durch die Einstellung eines Fahrers oder die Benutzung anderer Verkehrsmittel. Hatte das Amtsgericht etwa festgestellt, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Größe der zu transportierenden Utensilien nicht möglich sei, brachte das Kammergericht die Nutzung eines Taxis ins Gespräch und verwies darauf, dass das Urteil der Vorinstanz keine plausiblen Gründe enthalte, warum dieses nicht möglich sei.
Unbequemlichkeiten eines Fahrverbots sind keine außergewöhnliche Härte
Ebenfalls fehlten Feststellungen zu der Frage, ob das Fahrverbot zum Beispiel durch eine Kombination aus Urlaubstagen und einem Fahrer hätte überbrückt werden können. Das Kammergericht verwies insoweit darauf, dass der Arbeitgeber für den Fall eines Urlaubs oder einer Erkrankung des Betroffenen sowieso Vorkehrungen getroffen haben muss, die auch für die Zeit des Fahrverbots gelten könnten. Ferner verwies das Gericht auf die gängige Rechtsprechung, wonach die finanziellen Belastungen für die Überbrückung eines Fahrverbotes einem Betroffenen durchaus zuzumuten sind, er sogar in Kauf nehmen muss, notfalls einen Kredit dafür aufzunehmen.
Höchstgeschwindigkeit hängt nicht von Tageszeit und Verkehrsaufkommen ab
Das Kammergericht stellte klar, dass ein Absehen vom Fahrverbot nur dann möglich ist, wenn es für den Betroffenen eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde. Und es betonte, dass eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit rund um die Uhr gilt und es nicht von der Tageszeit bzw. vom Verkehrsaufkommen abhängt, wie die Folgen einer Überschreitung bemessen werden. Insgesamt stufte das Kammergericht die für den Betroffenen entstehenden Belastungen durch das Fahrverbot lediglich als Unbequemlichkeiten ein, die regelmäßig als Folge eines Fahrverbotes hinzunehmen sind.
Christian Demuth, Düsseldorf
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